Norwegen 2002


Der dritte Tag!



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Fotos 1
Der dritte Tag sollte ein Highlight bringen. Seit meiner ersten Fahrt nach Norwegen 1995 wollte ich jenen Felsen sehen und betreten, der in keinem Norwegenführer fehlt - den Preikestolen. Leider war das Tagesziel auf der ersten Fahrt so weit, daß ein Umweg zeitlich nicht drin war, bei der zweiten und dritten Tour landeten wir jeweils in Oslo an, so daß ein Umweg streckenmäßig nicht zu verantworten gewesen wäre. Dieses Mal aber sollte es geschehen. Unser Stellplatz lag strategisch günstig, so daß unser WoMo die Preikestolhytta und ihren Parkplatz, übrigens eine Spielwiese für moderne Wikinger, die dort ihre früheren Raubzüge quer durch Europa legalisiert haben und unschuldigen Europäern in Form von Parkgebühren das Fell über die Ohren ziehen, schon nach wenigen Minuten erreichte.

Über das Internet habe ich den Tip bekommen, daß es lohnend sein könnte, wenn man ganz früh morgens startet. Diesen Tip haben wir beherzigt und sind bereits um kurz nach halb acht morgens gestartet. Somit waren wir mit die ersten, die den Parkplatz, auf dem das Übernachten leider verboten ist, seiner ursprünglichen Bestimmung zuführten, und unser WoMo strategisch günstig abstellten und widerwillig mit der geforderten Parkgebühr vor noch teureren Tickets verschonten. Nach einem kurzen P...päuschen ging es dann los.

Und gleich der erste Abschnitt hatte es in sich. Es war ein steiler Anstieg über einen Schotterweg, der relativ breit war. Als ich bereits glaubte, daß es kaum so weiter gehen könne, wurde aus dem guten Weg eine Treppe. Die Stufenkanten wurden durch Stämme gebildet, die Stufen waren aufgefüllter Schotter, der die Baumwurzeln, die die Treppe durchzogen, nur spärlich verdeckte, was ein "normales" Laufen mehr als erschwerte. Das war aber erst der Anfang, daß dies noch der beste Teil des Weges sein würde, wußte ich bis dahin ja noch nicht. Mutter hatte sich gleich von der ersten Steigung schrecken lassen und ist zum WoMo zurückgekehrt.

Schätzungsweise dreißig Höhenmeter brachte der erste Anstieg, der auf relativ kurzer Strecke zu bewältigen war. Dafür bot sich an einer kleinen Rastecke ein weiter Ausblick über den Parkplatz und die Umgebung. Der Weg ging jetzt über weite Felsen, leicht begehbar, Holzstege, die über sumpfiges Gelände führten, über Wasserläufe, die wohl mal breit, aber nie tief den Weg kreuzten und durch Baumansammlungen, die den Begriff Wald nicht wert sind, bis zu einem Punkt, wo der Weg als solcher nicht mehr erkennbar war. Rote Markierungen jedoch ließen erahnen, wo man weitergehen sollte. Solche Markierungen waren dann aber auch nötig, denn ohne Hinweis wäre ich die zwei Meter durch die Baumwurzel nicht herabgestiegen. Der "Weg" führte über Geröll, das aus Steinen bestand, deren Größe zwischen Kinderköpfen und Wohnzimmersesseln schwankte, dabei aber auch relativ steil nach oben führte.

Das letzte Stück führte bereits an Steilwänden entlang. Linker Hand ging es steil in die Tiefe, rechter Hand ging es steil in die Höhe, der Weg, als solcher wieder erkennbar, war nicht sonderlich breit. Da ich nicht nur etwas breiter geraten bin als andere, sondern auch an Höhenangst leide, hatte ich an dieser Stelle ganz gut zu tun, um meiner Angst nicht nachzugeben und umzukehren. Dann noch um einen Felsvorsprung herum und... noch immer nicht am Ziel. Aber immerhin gab eine in die Steilwand montierte einfache Kette jetzt etwas Halt vor der steilen Tiefe im Rücken.

Dann war es aber doch vollbracht. Der Preikestolen lag vor uns und bot seine grandiose Seitenansicht dar. Dieser Anblick ist schon gewaltig, er erinnerte in der Tat an eine Predigtkanzel, wie sie in vielen Kirchen in Deutschland zu finden sind. Noch grandioser der Ausblick, wenn man die Kanzel betritt. Zerfurcht, mit Rissen übersät, bietet sie sich zunächst wild und unnahbar. Wenn man sich davon nicht schrecken läßt und sich an ihren Rand herantraut, wird man durch einen Ausblick belohnt, den man nicht beschreiben kann.

604 m senkrecht unter dem Betrachter liegt der Lysefjord, dessen grünschimmerndes Wasser einen wahnsinnigen Kontrast zu dem Blau des Himmels und dem Weiß der Wolken bildete. Interessant auch der Anblick derjenigen, die sich an den Rand trauten, um einmal senkrecht nach unten zu schauen. Meist in Bauchlage, vorsichtig gleitend (wie die Bundeswehr diese Bewegungsart nennt), wird sich der durch nichts gesicherten Kante genähert. Die meisten geben in dem Moment, wo sie herunterschauen, Ausrufe ihres Erstaunens, Entzückens oder Erschreckens von sich. Nicht wenige gleiten wesentlich schneller zurück, als sie heranglitten.

Der Tip, so früh wie möglich zu starten, erwies sich als gut. Es waren nur wenige Leute dort, als wir nach zwei Stunden und 15 Minuten den Preikestolen erreichten. Nach etwa zwei Stunden, als wir uns wieder auf den Rückweg machten, war es schon bedeutend voller. Die meisten Leute, die an jenem Tage oben waren, waren Deutsche, viele von ihnen packten erst einmal ihre Stulle aus, bevor sie sich den Grusel der Tiefe antaten. Zurück ging es über den gleichen "Weg", wie hin. Erschwert wurde der Rückweg dadurch, daß jetzt sehr viele Leute zum Preikestolen hinauf wollten. War der Weg vorher schon sehr eng, war es jetzt unumgänglich, sich mit den Entgegenkommenden zu arrangieren. Trotzdem brauchten wir für den Abstieg nicht länger als für den Aufstieg.

Karin führte unseren kleinen Troß stets an. Mir völlig unverständlich war, wie sie die Steigungen bewältigte, ohne groß in Schweiß oder Atemnot zu geraten. Jedenfalls nannten Nico und ich sie ab diesem Moment "Bergziege". Nico übernahm die Mitte, ich bildete die Nachhut. Meist notgedrungen, weil ich Karins Tempo einfach nicht mithalten konnte. Trotzdem habe ich es geschafft, wenn ich auch unterwegs ein wenig unfair fand, daß vorne Pausen gemacht wurden, und wenn ich den Pausenpunkt erreicht hatte, alle wieder aufsprangen, um den Weg fortzusetzen. Nichtsdestotrotz war der Ausblick von diesem Felsen alle Anstrengungen wert. Die Strecke vom Parkplatz zum Preikestolen beträgt ca. 2,8 Kilometer, allerdings Luftlinie, was durch die Steigungen und das Gefälle natürlich relativiert wurde. Mir kam es effektiv wie die doppelte Strecke vor. Insgesamt waren außerdem rund dreihundert Höhenmeter zu überwinden.

Kurze Mittagspause, dann ging es nach Jörpeland, wo ich versuchte, noch an Würmer zu kommen, leider erfolglos. Also weiter in Richtung Norden. Am Campingplatz Wathne, kurz hinter Jörpeland, leisten wir uns das erste Mal den Luxus von Duschen. Der Campingplatz ist recht primitiv, die Duschen sind einfach, ein Kiosk nicht wirklich vorhanden. Dafür ist die junge Dame hinter der Rezeption sehr freundlich und der Preis (für den Camppingplatz, nicht für die Dame) relativ niedrig. Für das Duschen sind fünf NOK fällig, nach jeweils fünf Minuten fünf weitere NOK. Hier bauten wir das erste Mal unseren Billiggrill auf und machten uns über die mitgebrachten Steaks her. Es gab ein paar Schwierigkeiten mit dem unebenen Campingplatz, denn immer stand unser WoMo irgendwie schief. Beim Umparken haben wir (also ich als Fahrer) leider den Rasen ein wenig gepflügt, denn es war frisch gemäht und der Boden recht feucht. Aber das Problem wurde nach mehreren Versuchen, die ihre Spuren sichtbar hinterließen, zur allseitigen Zufriedenheit gelöst - naja, kann sein, daß die Campingplatzbetreiber nicht zufrieden waren...

Das gewohnte Abendritual setzte ein, der Kilometerzähler zeigte wahnsinnige 37 Kilometer, aber das war auch noch innerhalb der Toleranz...




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© 28. Juli 2002 by Roland Oelke. email: webmaster@roely.de